Katrin Zipse entwickelt in ihrem Roman ein beachtenswertes Psychogramm der Suche nach Wahrheit, Wahrhaftigkeit und dem eigenen Selbstverständnis. Ein echtes Leseerlebnis.
Der Plot, dass ein adoleszenter Protagonist erkennt, dass die Kinderwelt eine Traumwelt ist, kann nicht als neu bezeichnet werden. Aber die Suche nach der Wahrheit hinter den Lügen wird von Zipse auf schönste Weise erzählerisch gestaltet. Das Buch erzählt in Vor-, Rück- und Sonstwohinsprüngen (gemeint sind Einschübe, die sich später als Bildbetrachtungen zu erkennen geben). Das ist anspruchsvolle und herausfordernde Prosa, die höchste ästhetische Erzählgenüsse verspricht – und erfüllt. Aber die chronologisch gebrochene Erzählweise ist nicht die Folge eines Aufspringens auf den Zug moderner Erzählformen, sondern hat ihre Berechtigung darin, die Suche der Protagonisten, die Verwirrung und die Entwicklung plastisch darstellen zu können.
Als Leser ist man Spurensucher und Konstrukteur von einem “neuen” Weltbild – genau wie Luzie. Am Anfang passt nichts zusammen und man steht etwas ratlos vor einzelnen Informationenzusammenhängen, die sich nicht recht zusammenfügen lassen. Lässt man sich aber auf einen ästhetischen Lesemodus ein und bezieht die Art der Darstellung als sekundäres Zeichensystem in das semantische Verstehen mit ein, dann bildet sich langsam ein kunstvoller Torbogen heraus, der den Übergang von Luzie und Puma in die Erwachsenenwelt darstellt.
Puma ist der zweite Protagonist in diesem in wechselnden Perspektiven erzählten Roman. Puma, der Luzie gerade erst kennengelernt hat, macht sich voller Sorge auf die Suche nach der verschwundenen Luzie. Dass er sie schlussendlich findet, erfährt man als Leser gleich zu Beginn. Denn Puma liest – mit Luzies Kopf in seinem Schoß – ihre Aufzeichnungen über ihre Vergangenheit bzw. darüber, was sie herausgefunden hat.
Leider ist der Puma-Strang weniger überzeugend als der Luzie-Strang. Seine Funktion für die inhaltliche Darstellung wird nicht vollkommen deutlich, weshalb er sich weniger organisch in ein Ganzes einfügt. Aber darüber kann man gerne hinwegsehen, denn diese Einschränkung tut der Gesamtwirkung des Romans keinen Abbruch.
Vielmehr muss man konstatieren, dass es zwar zahlreiche Adoleszenzromane auf dem KJL-Markt gibt, dass aber “Quersumme von Liebe” wie ein Monolith aus der Masse hervorstechen wird und auch für Erwachsene eine lesenswerte Lektüre verspricht. Der noch junge Magellan Verlag hat mit Katrin Zipse eine sehr begabte Autorin verpflichtet.