“Sankt Irgendwas” von Tamara Bach erzählt aus Sicht der Jugendlichen und in einem ausgefallenen Protokollstil von den Erlebnissen einer Klassenfahrt.
In Form eines Prologs mutmaßen diese Stimmen, was denn auf der besagten Klassenreise passiert sein muss, dass die Eltern nun zu einem Elternabend geladen sind. Spekuliert wird über einen Brandanschlag, eine Explosion am Flughafen, über Drogenkonsum und mögliche Sanktionen für die ganze Klasse. Doch Genaues weiß man nicht. Es folgt eine vor sechs Monaten verfasste Mail des Klassenleiters an die Eltern der 10b, in der er über die anstehende Studienfahrt und die damit verbundenen üblichen Regeln und Verbote informiert. Dann übernehmen die Schülerinnen und Schüler das Wort und protokollieren nach einem Rotationsprinzip den Ablauf der gemeinsam verbrachten Tage, beginnend mit der Abfahrt im gebuchten Reisebus.
Was zunächst noch als schlichter Tatsachenbericht daherkommt, entwickelt sich zu einer Art Klassentagebuch. Als Ole sein Talent für die sensible Kommentierung der sich zuspitzenden Atmosphäre zwischen Herrn Dr. Utz und der Klassengemeinschaft entdeckt, wird er zum genauen Beobachter zahlreicher Erlebnisse, die Eindruck hinterlassen. Der Wandel vom nüchternen Tatsachenbericht hin zum feinfühligen Erzählen verdeutlicht einmal mehr, dass eine Klassenreise eben nicht nur eine schulische Pflichtveranstaltung ist. Sie hinterlässt Spuren, die Individuen prägen und Einfluss auf die persönliche Entwicklung nehmen.
Weil der eigentlich erfahrene Lehrer den Bildungsauftrag nicht vernachlässigen will, plant er für jeden Tag mindestens zwei Referate und ahndet auch kleine Zuwiderhandlungen mit sofortigen Sanktionen. Die Schülerinnen und Schüler hingegen wollen eigentlich nur das Hier und Jetzt genießen. Die begleitende Lehrerin beobachtet gerade das mit Wohlwollen. Dabei begehren die Jugendlichen im Grunde wenig auf und nehmen auch Fehlplanungen der Klassenleitung mit Gelassenheit hin.
Als am fünften Tag ein unerlaubt mitgenommenes Handy in den Gang des Busses fällt und klingelt, lässt Herr Dr. Utz den geplanten Filmabend entfallen und setzt Küchendienst an. Die Stimmung sinkt auf den Nullpunkt, das merkt auch der Busfahrer. Durch das gemeinsame Hören der Playlist hat er sich vom neutralen Beobachter zum stillen Vertreter der Schülerschaft entwickelt. Schließlich ist er es auch, der den vermeintlichen Eklat auslöst.
Bei einem Ausflug am letzten Tag sorgt er dafür, dass die Klasse ohne die beiden Lehrkräfte zunächst ans Meer fährt und am Abend das Stadtfest feiert. „Eskapismus hey hey!“ Die Flucht vor den Regularien des Lehrers löst allerdings den besagten Elternabend aus, der jedoch folgenlos bleibt. Denn sowohl der Direktor als auch die begleitende Lehrerin stellen fest, „dass jetzt gut sei mit Sanktionen und Strafen“.
Tamara Bach entwirft ein unterhaltsames Manifest über die Gerechtigkeit und die eigentliche Bedeutung von Klassenfahrten. Natürlich schwingt in der klischeehaften Darstellung von stereotypen Lehrkräften ein gewisser Beigeschmack über das häufig in Verruf geratene Berufsbild der Pädagogen mit. Viel prägnanter bleibt aber die Dramaturgie des Handlungsverlaufs. Denn die überraschende Wendung durch die Initiative des Busfahrers verleiht der Erzählung nicht nur Heiterkeit, sondern zeigt auch Mitgefühl. Die Lektüre eignet sich sowohl für die Freizeit als auch für den Unterricht. Gesprächsstoff bietet sie in jedem Fall.