Wolfsbrot

Dieses Buch erhielt den LesePeter August 2017. Die Veröffentlichung der Begründung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien.

Kurz nach dem Krieg, in einem sehr kalten Winter, einer Zeit, die von Hunger und Entbehrungen geprägt ist, lebt ein kleiner, namenloser Junge mit seiner Mutter auf einem abgelegenen Hof. Von dort aus muss er mit den Nachbarskindern einen sehr weiten Weg, im Dunkeln durch den Wald, zur Schule laufen.

Drei Lebewesen und zwei halbe Wurstbrote

Das Wurstbrot soll es dem Jungen erleichtern, den langen Weg durch den dunklen Wald zu machen. Doch es ist Winter, der Krieg erst seit Kurzem vorbei. Wilde Tiere und heimkehrende Soldaten sind nicht ungefährlich.

Dunkle Bilder zu einer dunklen Geschichte, der Titel in Schreibschrift und Gold auf dem Cover. Wir ahnen gleich zu Beginn der Geschichte, dass das ungewöhnliche Wort des Titels etwas mit entsprechenden Assoziationswörtern zu tun haben kann: Schulbrot, Gnadenbrot.
Wir sind in der Zeit nach einem Krieg, der Erzähler denkt zurück. Er selbst war noch zu jung den Krieg, darf nun immerhin in die Schule gehen, die eine Stunde Fußweg entfernt ist. Aber als er lieber etwas krank sein möchte als in den kalten frühen Morgen durch den Schnee und den dunklen Wald zu gehen – allein, denn die beiden Nachbarskinder liegen mit Fieber im Bett – da kann ihn seine Mutter durch ein Wurstbrot überzeugen. Wurst! In dieser Zeit! Der Junge beschließt, die Ration zu teilen. Die eine Hälfte wird er auf dem Hinweg zur Schule essen, wenn er wieder den Waldrand erreicht, die andere auf dem Rückweg. Doch Wurstbrot macht nur satt, wenn man selbst es essen kann. Und hier sind es Zwei, die die beiden Hälften bereits auf dem Hinweg für sich beanspruchen. Immerhin bleibt der Junge am Leben und kann uns diese Geschichte erzählen.

Das Buch ist quadratisch, am Buchrücken mit Leinen bespannt, der Titel hochkant in Schreibschrift, in Gold, geprägt gedruckt. Eine Diskrepanz zum düsteren Bild, auf dem wir den Jungen sehen, der durch den Schnee stapft. Sein Gesichtsausdruck schwankt zwischen Unglück und Nachdenklichkeit, die Hände sind wegen der Kälte tief in den Taschen der Jacke vergraben. Im Hintergrund nach der Senke steht ein Haus vor dem schwarzen Gebirge mit den weißen Gipfeln und einem Sonnenaufgang, dem man seine Künstlichkeit ansieht. Diese goldgelbe Farbe sehen wir auch aus dem Haus leuchten. Kitschig? Ja, sogar verstärkt durch das Schattenbild eines Rehs, aber der Ausdruck des Jungen straft der Lieblichkeit Lügen.

Ulrike Möltgen komponiert ihre Bilder, schneidet, klebt, überzeichnet. Überall sind rechte Winkel auch in der Landschaft zu erkennen, bilden schablonenhaft einen Wald, schaffen hell-dunkel Kontraste Tiefe und klare Baumstammstrukturen Höhe und Räume. Die Lebewesen sind da nur Punkte inmitten einer dunklen Welt, in der es gilt zu überleben.

Ein sehr beeindruckendes Buch, das Sonja Müller-Späth als Gesamtkunstwerk konzipierte und dem Kilian Leypold durch eine einfache und doch eindringliche Geschichte eine Grundlage gab.