Sonne, Moon und Sterne

Dieses Buch erhielt den LesePeter September 2019. Die Veröffentlichung der Begründung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien.

Die Sommerferien stehen bevor und ebenso Gustavs zwölfter Geburtstag, doch Freude kann unter diesen Umständen nicht aufkommen. Geplant war ein Familienurlaub in Dänemark mit dem Camper. Mama, Papa, Gustav und ihre beiden älteren, zugegeben extrem nervtötenden Schwestern - alle zusammen. Der Urlaub wird ersatzlos gestrichen, das Wohnmobil steht ungenutzt vor der Haustür und zeigt allzu deutlich, dass sich die Familie in eine emotionale Sackgasse manövriert hat. Aus dieser bricht ausgerechnet die Mutter aus, die scheinbar unerschütterlich allen Belastungen mit Kindern, Haushalt und Beruf gewachsen war und mit ihrem Einkommen die Familie finanziell trägt.

Verglichen mit ihr wirkt ihr Ehemann wie jemand, der nicht erwachsen werden will und die Anstrengungen scheut, die das Leben einem jeden auferlegt. Er schlurft durch den Tag und wirkt wenig tatkräftig. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein Mann, der nicht bereit ist, die Veränderungen anzunehmen und sich ihnen anzupassen. Die affektiert-altklugen Schwestern kennen sich aus, ihre Eltern befinden sich in der Midlife-Crisis. Gustavs Recherchen ergeben, dass das die “Pubertät für Erwachsene” sein muss und sich damit sowohl Eltern als auch die Schwestern in einer ähnlich schwierigen Phase befinden. Als wäre das nicht genug, bemerkt Gustav Veränderungen an ihrem Körper, die Ängste auslösen, über die sie in der derzeitigen Situation aber mit niemandem reden kann. Stabilität erfährt sie durch ihre Hündin namens Sand, doch auch die ist nicht von Dauer, denn Sand ist längst nicht mehr die Jüngste und es mehren sich die Anzeichen, dass deren Ende naht. Inmitten der Turbulenzen tritt Moon in Gustavs Leben. Der Junge ist mit seinen langen Haaren und den Glitzerleggins das Pendant zur kurzhaarigen Gustav. Es ist ausgesprochen angenehm, mit welcher Selbstverständlichkeit in diesem Buch Geschlechterzuschreibungen ignoriert, kommentarlos aufgehoben, bisweilen allerdings ebenso klischeehaft umgekehrt werden.

Während alleinerziehende Mütter, zunehmend auch Väter, in Kinderromanen keine Seltenheit sind, sind weitere Familienmodelle jenseits der traditionellen Klein- und Großfamilien bisher unterrepräsentiert und werden, wenn sie auftreten, meist stark in den Fokus gerückt. Ohne übermäßiges Aufsehen zu erregen finden in “Sonne, Moon und Sterne” gleichgeschlechtliche Eltern neben Alleinerziehenden und von Turbulenzen gerüttelten traditionellen Familien ihren Platz. Das klingt neben den eingearbeiteten Themen wie Trennung, Pubertät, Tod und psychischen Problemen bei Eltern nach einem überladenen Plot und es ist umso überraschender, dass es gelingt, all das nicht zuletzt mit Situationskomik und überzeugenden Sprachbildern zusammenzuhalten. Die ebenso tragische wie lustige Familien-Sommer-Freundschaftsgeschichte zeigt, dass jedes Ende einen Neuanfang birgt und macht Mut, sich den Umbrüchen und Rätseln im Leben zu stellen.