Die Waisenkinder Sem und Mo gelangen mithilfe einer sprechenden Ratte in das Land der Lindwürmer. Auf den ersten Blick erinnert in dieser fantastischen Welt nichts an die harte Realität, der die beiden Brüder entfliehen, doch der Schein trügt. Erneut ist es Frida Nilsson gelungen, einen spannenden und ebenso tiefgründigen Fantasyroman für Kinder zu verfassen, der essentielle Fragen des Lebens thematisiert.
“Sem und Mo im Land der Lindwürmer” ist ein Fantasyroman für Kinder ab zehn Jahren. Obwohl sich Frida Nilsson bekannter Themen und Motive aus dem Fantasy-Genre und der Welt der Märchen und Mythen bedient, hebt sich diese Erzählung im positiven Sinne von der Masse ab. Die Lesenden treffen mit Mo und Sem auf zwei sympathische Identifikationsfiguren, von denen vor allem Sem im Verlauf der Geschichte eine überzeugende Entwicklung nimmt. Bis zuletzt setzen ihm starke Selbstzweifel zu und er hadert mit falschen Entscheidungen. Es gelingt ihm, diese mit späteren Taten zu korrigieren und sein Leben in die Hand zu nehmen.
Da er als Ich-Erzähler auftritt, können wir nicht nur an Gesprächen zwischen ihm und anderen Figuren, sondern auch an seinen Gedanken und Gefühlen intensiv teilnehmen. Diese sind für einen heranwachsenden 11-Jährigen ausgesprochen tiefgründig, oft philosophisch und wirken dabei weder gekünstelt noch kitschig oder gar abgehoben.
In der Auseinandersetzung mit sich und anderen, allen voran seiner Widersacherin Indra, beschäftigt sich Sem mit grundlegenden Fragen des Daseins und der Menschheit. Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Inwieweit ist unser Handeln von Prägungen und der Natur in Form von Trieben vorbestimmt? Ist es damit gut oder böse?
Frida Nilsson versteht es meisterhaft, nicht nur Sem, sondern auch Indra und weitere Figuren komplex, mit ihren Widersprüchen darzustellen. Sie lassen sich somit nicht eindeutig in das Gut-Böse-Schema einordnen. Mit erzählerischem Geschick gelingt es der Autorin, die lesenden Kinder bei solch gewichtigen Themen mitzunehmen. Bei aller Dramatik, bisweilen auch Grausamkeit, wird die Erzählung von einem hoffnungsvollen Grundton getragen. “Weil es wohl schon immer diese eine Kraft in uns Menschen gegeben hat: den Wunsch, Gutes zu tun.”