Der Tod auf dem Apfelbaum

Dieses Buch erhielt den LesePeter April 2016. Die Veröffentlichung der Begründung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien.

Wir sehen ihn bereits auf dem Titelbild, den Tod des Fuchses. Er lehnt mit seinem Rücken an dem Lebenden, der auf zwei Hinterbeinen steht und seinen angebissenen Apfel im Arm hält. Wir sehen die typische Mundlinie, wie sie nur Kathrin Schärer zeichnen kann, den stark gesenkten Kopf und den Blick des Fuchses, der den Tod mit seinem weißen Fell an seinem Rücken spürt, ihn aber nicht wahrhaben will.

Die Geschichte beginnt mit dem nicht mehr ganz jungen Fuchs. Schon länger ärgert er sich darüber, dass “Fremde” sich an “seinem” Apfelbaum gütlich tun, bevor die Äpfel auf die Wiese fallen, um ihm und seiner Frau als Futter zu dienen. Das ist umso tragischer, als die anderen Beutetiere inzwischen viel schneller sind als die beiden Alten. Folge: Hunger. Aber: Füchse sind schlau. Also: Falle bauen! In der Tat fängt sich ein Wiesel darin und muss wohl sein Leben für das Leben der Füchse lassen. Doch halt! Es handelt sich um ein “Zauberwiesel”, dessen “Zaubersprüche … auf immer und ewig” halten – es sei denn, dass der Beschenkte selbst den Zauberspruch aufheben will.

So kleben zunächst Bienen, Eichhorn, Würmer, Spatz usw. auf dem Apfelbaum fest. Der Fuchs entlässt diese aus der Zauberei, erreicht aber dabei, dass niemand wieder seine Futterquelle anzapfen will. Dann aber kommt sein Tod, und er kann ihn überlisten, ihn um einen letzten Apfel von seinem Baum bitten. So klebt der also auf dem Baum fest, unser Fuchs wird ewig leben.

Dass diese Aussicht nicht wirklich wünschenswert ist, zeigt uns diese Geschichte, die wir leseunkundigen Kindern zeigen können, ohne sie vorzulesen. Das ist sehr spannend und das Ende ist keinesfalls eindeutig. Die Kinder erkennen den Tod nicht direkt, sieht er doch gar nicht so aus, wie er sonst dargestellt wird. Hier ist er nicht in schwarzer Kleidung, trägt auch keine Sense und ist auch kein Skelett. Das weiße Abbild eines Fuchses, leicht durchsichtig, sitzt nun also angeklebt auf dem Baum, der auf einer Doppelseite alle vier Jahreszeiten zugleich von links nach rechts zeigt. Unser Fuchs sitzt zu Füßen des Baums, seine Frau ist gestorben, seine Freunde sind tot, seine Gebrechen sind größer geworden, sein linkes Auge ist grau geworden wie sein Unterfell.

Wir müssen ihn wohl akzeptieren, den Tod allgemein, aber ganz besonders, unseren Tod, der eben nur für uns zuständig ist. Das mag schmerzhaft sein, wo doch das Leben noch so viel zu bieten hat.

Kathrin Schärer drückt sich zwar vor der Situation des (zu) frühen Todes, zeigt aber, dass er selbst kein Fluch ist und gar nichts Schlimmes hat, sondern vielmehr aufgenommen werden kann wie ein Freund, der mir die eigene Last abnimmt. Insofern ist das Bild auf dem Titelbild ganz stimmig mit dem (vor-)letzten. Dort standen sie Rücken an Rücken, jetzt umarmen sie sich Brust an Brust. Das allerletzte Bild zeigt dann wieder die Sicht von außen.

Nach “Ente, Tod und Tulpe” von Wolf Erlbruch ist dies das zweite Bilderbuch, das sich sehr eindringlich mit dem Sinn und dem Einlassen des Sterbens beschäftigt. Da lädt ihn einer ein, akzeptiert ihn nicht nur, sondern tut sich mit ihm zusammen, denn es ist gut so.