Der Dominoeffekt

Dieses Buch erhielt den LesePeter November 2017. Die Veröffentlichung der Begründung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien.

Seeleute brachten auf einem Dampfschiff Mitte des 19. Jahrhundertsvon den Vereinigten Staaten nach Marseille u.a. Setzlinge von amerikanischen Weinreben mit. Dabei schmuggelten diese Pflanzen Rebläuse ein, die hier Nahrung in Hülle und Fülle fanden. Sie verbreiteten sich in ganz Frankreich und Italien. Allerdings besaßen die europäischen Reben keine Abwehrmechanismen gegen diesen unbekannten Fressfeind, der auch die Wurzeln angriff. Der gesamte Weinanbau brach zusammen. Ein Insektenforscher namens Charles Valentine Riley fand heraus, dass die Reblaus die amerikanischen Weinreben kaum beschädigte, weil diese durch die Evolution Schutzmechanismen entwickelt hatten. Schließlich behalf man sich mit der Technik des Pfropfens. Riley nahm den unteren Teil der amerikanischen Weinrebe, auf die er den oberen Teil einer europäischen steckte. Seit dieser Zeit sind tatsächlich alle Weinreben halb amerikanisch und halb europäisch. Allerdings bemängeln Weinkenner, dass der Wein aus diesem Rebenmix nun anders schmeckt, als der Wein von rein europäischen Reben …

Unglaubliche, aber wahre Geschichten sind Gegenstand des Buches des Ökologen Gianumberto Accinelli. Die Beispiele dafür hat er in aller Welt und in verschiedenen Jahrhunderten gefunden. Von den riskanten Eingriffen des Menschen in die Natur und den besonderen Fähigkeiten vieler Lebewesen erzählen diese insgesamt 18 im Buch versammelten Geschichten. Einige importierte Arten zerstörten das natürliche Gleichgewicht ihres neuen Lebensraums, breiteten sich unkontrolliert aus, brachten unbekannte Krankheiten mit oder schädigten andere Arten. Die Menschen versuchten dann, den angerichteten Schaden zu relativieren und lösten damit Dominoeffekte aus, die selten wieder rückgängig gemacht werden konnten. Das Eingreifen der Menschen in die Natur, egal ob aus Dummheit oder Profitgier bringt unsere Umwelt aus dem Gleichgewicht. Der Autor zeigt dabei auf, wie unsichtbare Fäden das Gleichgewicht der Natur aufrecht erhalten.

Symbolisch zieht sich durch das ganze Buch von Seite zu Seite ein Faden. Der farbige Faden sowie die Illustrationen von Tier- und Pflanzenmotiven der Künstlerin Serena Viola ergänzen den Inhalt in eindrucksvoller Weise. Die Zeichnungen sind vorwiegend in gedeckten Farben gehalten. Es handelt sich um großflächige intensive Bilder, die sich über eine ganze Seite erstrecken. Diese bilden Ausschnitte des Textes ab. Verschiedene Maltechniken innerhalb der Bilder wirken interessant und laden zum näheren Betrachten ein. Diese fantasievollen, zum Teil aber auch naturgetreuen Bilder in Verbindung mit der lockeren Erzählweise machen dieses Buch besonders. Anekdotenhaft und elegant berichtet Accinelli über kuriose wie erschreckende Geschichten. Dezent fordert er den Leser auf, über die zweifelhafte Rolle des Menschen und seine Beziehung zur Natur nachzudenken. Durch kurzweilige und humorvolle Schilderung der Sachverhalte, werden die eigentlich empörenden Eingriffe, nie düster vermittelt.

“Der Dominoeffekt oder die unsichtbaren Fäden der Natur” ist ein Buch, das auffrüttelt und zum Nachdenken anregt. Es ist aufgrund seines Inhalts und des humorvollen Erzählstils nicht nur für Kinder ab 9 Jahre geeignet, sondern dürfte auch für Erwachsene eine ebenso spannende wie lehrreiche Lektüre sein.